Wer sich mit Speyer beschäftigt, wird früher oder später auf die Brezel stossen. Das größte Fest in Speyer ist das Brezelfest, auf dem Königsplatz überwacht der Brezelbu (Brezelbube) das Marktgeschehen, und in der Fussgängerzone ist alle paar Meter ein Stand der örtlichen Brezelbäckerei. In der Tat wird die Brezel gerne als das Speyerer "Nationalgebäck" bezeichnet.
Brezelbu auf dem Marktplatz
Manche Speyerer sehen die Brezel sogar als eine lokale Erfindung, was aber stark zu bezweifeln ist. Es ist sogar sehr unwahrscheinlich, dass die Brezel als solche überhaupt erfunden wurde, vielmehr ist wohl eher eine Form, die sich nach und nach entwickelt hat. Die älteste bekannte Darstellung einer Brezel stammt aus dem 12. Jahrhundert, daher ist die Brezel also solche wohl noch viel älter.
Unbestritten ist dass der Name Brezel vom lateinischen brachium = Arm abgeleitet wurde, die Form soll an verschränkte Arme betender Mönche erinnern.
Eine Brezel kann man mit allen möglichen Teigvarianten machen (z.B. die süsse Neujahrsbrezel), aber gemeinhin denkt man bei einer Brezel zuallererst an die Laugenbrezel, und diese ist mit dem Speyerer "Nationalgebäck" gemeint.
Es verwundert einen schon etwas, dass jemand auf die Idee kam, den Hefeteig zuerst in Natronlauge zu tunken, bevor der in den Backofen geht. Man kann darüber spekulieren, ob das ein Zufall war, wie z.B. in der Bad Uracher Legende, bei der die Katze den geformten Teig in die Lauge beförderte, oder ob ein kreativer Koch (dies war dann höchstwahrscheinlich ein Mönch) alles mögliche ausprobiert hatte.
Wie auch immer, dies alles hatte aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mit Speyer zu tun. Es könnte sein, dass aufgrund der Bedeutung Speyers und des Doms schon früh Brezeln hier gebacken wurden, was im Mittelalter etwas besonderes war, denn die Brezel wurde nur für bestimmte Personenkreise gebacken. Aber das ist wohl auch schon der ganze geschichtliche Bezug.
Als im Jahre 1910 das erste Brezelfest veranstaltet wurde, sollte dies die örtlichen Betriebe förden, vor allem die Bäckereien, Brauereien und Tabakmanufakturen. Man kam auf die Idee, das Brezelfest zu nennen, wohl auch weil Bierfest oder Zigarrenfest zu banal gewesen wäre. Zudem hat das Wort Brezelfest im lokalen Pfälzer Dialekt einen gewissen melodischen Klang.
So wurde also das Brezelfest geboren, und im Laufe der Zeit hat sich die Idee der Brezelstadt Speyer offensichtlich verselbstständigt. Es ist nun mal so, dass man Sachen, die oft genug wiederholt werden, irgendwann als Fakt wahrnimmt, auch wenn es dafür eigentlich keine Grundlage gibt.
Die Brezeln selber schmecken unbeeindruckt von geschichtlichen Disputen sehr lecker, zumindest bei den "richtigen" Bäckereien, also denjenigen, die diese noch selber herstellen. Je frischer, desto besser sind sie, und am besten sowieso noch ofenwarm.
Wer selber einmal Brezeln backen will, findet hier die Anleitung dazu